Einfach nur noch traurig!

Morgen ist der 1. April und wie es aussieht, wird es zum ersten Mal sein, dass ich keine Aprilscherze in der Familie mache bzw. ich selbst reingelegt werde. Was jedoch LEIDER kein Aprilscherz ist, ist die Tatsache, dass die wirtschaftliche Krise, ausgelöst durch komplett unfähige Politiker und gierige Wissenschaftler in Kombination mit Pharmafirmen und Banken, sehr wahrscheinlich viel mehr Tote verursachen wird als alle Corona und Influenza Viren zusammen.

Wir werden erheblich, ja sogar extrem mehr Krebstote haben! Die Kindersterblichkeit wird sich dramatisch steigern und ich habe noch nicht einmal über all die Suizide und Depressionen gesprochen.

Nachfolgend ein hervorragender Artikel von Jan Schweitzer (https://www.zeit.de/…/gesundheit-finanzkrise-wechselwirkung…), in welchem es um die Todesfälle nach Krisen in westlichen Ländern geht.

Ich habe gestern mit Bekannten in Indien und auf den Philippinen gechattet. Ohne ins Detail zu gehen; wir können es uns nicht einmal annähernd vorstellen, was Corona in diesen armen Ländern auslöst. Es ist ein täglicher Kampf um Essen und Überleben, wie wir ihn in Europa Gott sei Dank nicht kennen. Wenn Sie glauben, bei uns gäbe es dramatische Szenen, dann sage ich Ihnen, das liegt nur daran, weil Sie nicht wissen was gerade in diesen Ländern passiert. Ich finde hierfür keine Worte mehr und meine Gefühle schwanken nur noch zwischen Mitleid, Wut, Hass und Liebe hin und her.

Wie die Krise krank macht
Von Jan Schweitzer
30. Juni 2016 DIE ZEIT Nr. 26/2016

Mehr Menschen sterben, wenn es ihrem Land wirtschaftlich schlecht geht: Was nach einem Automatismus klingt, ist in Wahrheit gar keiner.

In diesem Text geht es um Dramen, die sich anderswo abspielen, nicht hier in Deutschland. Schicksalsschläge, die wir uns hier nicht vorstellen können. Und doch geschieht es nicht weit weg von uns. Von einem Tag auf den anderen fehlt da ein lebensnotwendiges Medikament; Seuchen, die vermeintlich ausgerottet sind, kehren zurück; mehr Kinder als sonst sterben. Und all das passiert fast nebenan. In Ländern, in denen wir Urlaub machen, in die unsere Kinder zum Schüleraustausch fahren, wo Kollegen und Freunde arbeiten. All das passiert mitten in Europa.

Es war Ende Mai, als eine Studie im Medizinjournal The Lancet erschien, die mit unglaublichen Zahlen aufwartete. Englische und amerikanische Wissenschaftler hatten darin gezeigt, dass die Wirtschaftskrise, die 2007/08 begonnen hatte, wohl für mehr als 260.000 zusätzliche Krebstote weltweit verantwortlich war, mehr als 160.000 allein in Europa. Im Fokus standen damals die Rettung der Banken oder die Sparprogramme für Länder wie Griechenland oder Portugal. Kaum Aufmerksamkeit bekam während und nach der Wirtschaftskrise aber ein Aspekt, der für die Menschen in den betroffenen Ländern nicht minder wichtig war und ist: ihre Gesundheit.
Dabei ist der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage eines Landes und der Gesundheit seiner Bürger schon lange bekannt. Er zeigt sich nur nicht oft so eindrücklich wie bei dieser Wirtschaftskrise. Sie macht deutlich, welch immensen Einfluss die Politik darauf hat, ob Menschen gesund sind oder krank. Der Pathologe, Sozialmediziner und Politiker Rudolf Virchow erkannte die Dimension schon im 19. Jahrhundert: “Politik ist weiter nichts als Medizin im Großen.”
Das Beispiel Krebs verdeutlicht diesen Zusammenhang ganz gut. Krebs ist verantwortlich für viel Leid, 2012 sind weltweit etwa 8,2 Millionen Menschen daran gestorben, etwa 14 Millionen waren daran erkrankt. Doch die Medizin hat Fortschritte gemacht: Bestimmte Krebsarten sind inzwischen gut behandelbar, vor allem dann, wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Die Therapie aber muss bezahlt werden, und sie ist oft teuer.

Problematisch wird es, wenn die Qualität der Gesundheitsversorgung daran gekoppelt ist, dass Menschen einen Job haben. Oder anders: wenn die medizinische Versorgung schlechter wird, sobald sie arbeitslos werden. Denn dann werden Leiden wie Krebs zu spät diagnostiziert und schlecht oder gar nicht behandelt. In vielen Ländern ist das so, verantwortlich dafür ist das jeweilige Gesundheitssystem und damit die Politik. Im Extremfall geht der Verlust des Arbeitsplatzes einher mit dem Verlust des Lebens – wenn nämlich niemand für die Kosten der medizinischen Versorgung aufkommt, die Krankenkasse nicht und der Staat auch nicht. “Wir fanden heraus, dass eine erhöhte Arbeitslosigkeit mit einer erhöhten Krebssterblichkeit verbunden war, dass aber eine allgemeine Krankenversicherung dagegen schützt”, sagt Mahiben Maruthappu, der Hauptautor der Lancet-Studie. Eine Versicherung, wie wir sie in Deutschland mit den gesetzlichen Krankenkassen haben.
Doch Arbeitslosigkeit kann Menschen in fragilen Gesundheitssystemen auch direkt krank machen. Das zeigte sich in den Ländern, die von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffen waren und sind und die keine finanzstarke Krankenversicherung haben wie Deutschland.
Griechenland etwa. Dort stieg die Arbeitslosenquote von Mai 2008 bis Mai 2011 rasant an, von 7 auf 17 Prozent. Der Staat reduzierte die Ausgaben in sein Gesundheitssystem drastisch, auch auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF). “Allein im Jahr 2009 sank das Gesundheitsbudget von 24 Milliarden auf 16 Milliarden Euro”, schreiben der Präventionsmediziner Sanjay Basu von der Stanford University und der Ökonom David Stuckler von der Oxford University in ihrem Buch The Body Economic: Why Austerity Kills. Die Autoren zeichneten in vielen Studien nach, welch dramatische Folgen dies für die Menschen hatte. Zwischen 2008 und 2010 nahm die Kindersterblichkeit in Griechenland um 40 Prozent zu, um fast 50 Prozent stieg die Zahl der Erkrankungen, die unbehandelt blieben. 50.000 Diabetiker hatten im Mai 2010 auf einmal ein Problem, weil sie kein Insulin mehr bekamen: Der Pharmakonzern Novo Nordisk hatte sich aus Griechenland zurückgezogen, der Staat schuldete dem Hersteller 29 Millionen Euro. Insgesamt 500 verschiedene Medikamente wurden in dieser Zeit knapp, darunter Arzneimittel gegen Bluthochdruck, Magen-Darm-Leiden und Schmerzen. Ähnliche, aber nicht ganz so drastische Einsparungen in der Versorgung mit Arzneimitteln gab es in Portugal.

Der Sparpolitik in Griechenland fiel auch die präventive Mückenbekämpfung mit Insektiziden zum Opfer. Daraufhin brach im Süden des Landes eine Krankheit aus, die man in Europa eigentlich schon längst überwunden geglaubt hatte: Malaria. Ebenso konnte sich das West-Nil-Virus ausbreiten und Menschen töten.

Auch die Zahl der Neuinfektionen mit dem HI-Virus stieg allein zwischen Januar und Mai 2011 um 52 Prozent. So etwas kannte man in Westeuropa eigentlich schon lange nicht mehr. Der Grund: Das Geld für ein Aids-Präventionsprogramm war gekürzt worden. In der Folge hatten sich Drogenabhängige vermehrt mit dem Immunschwächevirus angesteckt. Für manchen war die Infektion allerdings auch eine Möglichkeit, an Geld zu kommen: 700 Euro pro Monat staatliche Hilfe gab es, wenn man HIV-positiv war. Tatsächlich soll es Drogenabhängige gegeben haben, die sich deswegen absichtlich infizierten. Wie verzweifelt muss man sein, um einen solchen Weg zu wählen?
Nicht überraschend war, dass in so einer schwierigen wirtschaftlichen Situation die Zahl der Selbstmorde anstieg – zwischen 2007 und 2009 um 20 Prozent. Damit war Griechenland nicht allein: In England etwa sollen sich während der Finanzkrise jährlich etwa 1000 Menschen mehr als normalerweise das Leben genommen haben, fand Benjamin Barr von der University of Liverpool in einer Studie heraus, die er 2012 im British Medical Journal veröffentlichte. Auch wurden dort in dieser Zeit mehr Antidepressiva eingenommen, genauso wie in Spanien.
Dabei ist das beste Mittel, um Suizide zu verhindern, wohl eines, das man nicht schlucken kann: wirkungsvolle Arbeitsmarktmaßnahmen. Ein Land, das damit Erfolg hat, ist Schweden. Dort wird versucht, Erwerbslosen so schnell wie möglich wieder eine Arbeit zu vermitteln. Möglich machen soll das ein individueller Aktionsplan, den das Arbeitsamt zusammen mit dem Betroffenen erstellt und der penibel eingehalten werden muss.

Anscheinend hilft das tatsächlich dabei, eine Wirtschaftskrise einigermaßen gesund zu überstehen. Die Schweden mussten nämlich schon 1991/92 mit dem fertigwerden, was die Welt erst ab 2008 kennenlernte: mit einer Immobilienkrise und mit Banken, die kurz vor der Pleite standen. Jeder zehnte Angestellte verlor seinen Job. Und trotzdem ging die Zahl der Suizide zwischen den achtziger Jahren und dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends sogar zurück, schreiben Stackler und Basu.

Notizen am Rande:

6 MILLIONEN
Patienten mehr als gewöhnlich wurden zwischen den Jahren 2007 und 2009 in den USA in Notaufnahmen behandelt.

3,1 MILLIONEN
Rezepte mehr als noch zwei Jahre zuvor stellten britische Ärzte 2010 für Antidepressiva aus.

6 MONATE
bevor die Arbeitslosenquote anstieg, erhöhte sich in vielen Ländern bereits die Selbstmordrate.

Offenbar drückte sich darin die Verunsicherung über die ökonomische Entwicklung aus. Und auch Island taugt als gutes Beispiel. Dort wütete die Finanzkrise zwischen 2007 und 2010. Doch es starben in diesen schwierigen Jahren sogar weniger Menschen als in normalen Zeiten. Der wahrscheinliche Grund: Das Land hatte sich geweigert, massiv bei den Ausgaben für das Gesundheitssystem zu kürzen, es hatte sogar das Budget erhöht.

Politische Entscheidungen bestimmen eben nicht nur darüber, wie sich ein Bruttosozialprodukt oder das Wirtschaftswachstum entwickeln, sondern auch über Leben und Tod!